Die Nordreportage: Zwischen Nobelhotel und Suppengruppe – St.Georg

Die Nordreportage: Zwischen Nobelhotel und Suppengruppe – St.Georg

Im Hamburger Stadtteil St. Georg treffen Welten aufeinander: arm und reich, schrill und angepasst, szenig und alternativ - alles liegt dicht beieinander. Manche sagen, St. Georg ist wie New York! Andere: wie ein kleines Dorf. 

Der Kiosk von Ibo Tasdelen auf der Langen Reihe ist so etwas wie die Zentrale des Viertels. Hier trifft sich jeder, der schnell noch was braucht, wie Dosenbier, Champagner, Süßigkeiten für 10 Cent das Stück, oder auch mal was loswerden will. Der 49-jährige Chef hat zusammen mit seinem alteingesessenen Mitarbeiter Heiko für alles und jeden ein Ohr. Nur der Umsatz könnte jetzt während der Pandemie und ohne die Touristen besser sein. Aber, sagt Ibo versöhnlich, das gehe ja jetzt allen hier auf der Langen Reihe so. 

Eigentlich ist die kalte Jahreszeit für die wohnungslose Künstlerin Nicole Förster eine Zumutung. Doch mit viel Disziplin und Organisation schafft sie immer wieder aufs Neue, mit wenig gut durch den Tag zu kommen. Top gestylt verlässt die 63-Jährige morgens ihren temporären Wohncontainer und findet in St. Georg, was sie braucht: Klamotten in Tauschboxen, eine Aufgabe bei der Suppengruppe der Kirche, Materialien für Kreativarbeit in einer Einrichtung für Langzeitarbeitslose. Ihr Traum: irgendwann eine eigene Wohnung zu besitzen. Jeden Tag hat sie ihn fest vor Augen. 

Mario Regensburg arbeitet direkt gegenüber vom Hauptbahnhof, im denkmalgeschützten Hotel Reichshof. Als der Koch, gelernt hat er im renommierten Hamburger Sterne-Hotel Süllberg, gelesen hat, dass der Reichshof einen „Küchenrocker“ gesucht wird, hat er sich sofort beworben. Wenn er sich jetzt nach der Corona-Pause eine neue Karte ausdenken muss,  lässt er sich gerne von heißen Bässen inspirieren. 

Karl Gadzali liebt die queere Szene in St. Georg – ein fester Bestandteil des Viertels. Vieles kann er in seiner Gegend gleich um die Ecke besorgen: neue Haarteil im Afro-Shop oder Lebensmittel auf dem Steindamm. Das passt ihm gut, denn durch die Gegend hetzen ist nichts mehr für den über 50-jährigen Ex-Friseur. Denn nach einem Herzinfarkt hat er einen Gang runtergeschaltet und macht nur noch, was er wirklich will: kunstvolle Perücken für Drag Queens designen. Eine Bestellung für Amanda Cox, an der er gerade arbeitet, ist bald fertig. 

Die „Nordreportage“ begleitet vier Bewohner*innen des Hamburger Stadtteils St. Georg, die wissen, was es heißt, in einem Dorf mit vielen Welten zu leben.  

Sendetermine: 09.03.2022, 18:15 Uhr, NDR

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